Kündigungsfristen – Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe
Nach der Angleichung der Kündigungsfristen für Arbeiter an jene der Angestellten, welche letztendlich mit 01.10.2021 in Kraft getreten ist, hat sich die Frage gestellt, wann eine Branche vorliegt, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) überwiegen, und wer dafür beweispflichtig ist. Eine solche Branche darf nämlich nach § 1159 Abs 2 ABGB abweichende Regelungen im Kollektivvertrag festlegen.
Diese Frage hat insbesondere den Bereich der Hotellerie und Gastronomie betroffen. Im Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe hat sich bereits vor Inkrafttreten der vorgenannten Bestimmung eine Regelung befunden, wonach das unbefristete Arbeitsverhältnis mit 14-tägiger Kündigungsfrist gelöst werden kann.
Zu den Fragen, ob diese Regelung weiterhin gilt und wer für was beweispflichtig ist, wurde in der Literatur und Lehre viel diskutiert.
Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in zwei Feststellungsverfahren (einmal ausgehend von der Wirtschaftskammer als Antragsteller und einmal ausgehend vom Österreichischen Gewerkschaftsbund als Antragsteller) mit dieser Thematik und Problematik im Jahr 2022 beschäftigt.
Beide Anträge wurden jedoch abgewiesen, weil keiner der beiden Antragsteller jeweils nachweisen konnte, ob ein „Überwiegen von Saisonbetrieben“ vorliege oder nicht. Zur Beweislast wurde damit aber keine Äußerung des Obersten Gerichtshofs getroffen.
Nachdem der OGH diese Regelung des § 1159 ABGB vorab dem Verfassungsgerichtshof aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken zur Prüfung vorgelegt hat und der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen ist, dass diese Regelung verfassungskonform ist, hat sich nunmehr der OGH in der Entscheidung 9 ObA 57/24h mit dem Thema der Beweispflicht auseinandergesetzt.
Zu Beginn stellt der OGH klar, dass eine bereits vor Inkrafttreten des §1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 geschaffene kollektivvertragliche Regelung weiter Bestand hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden.
Im Anschluss daran beschäftigt sich der OGH mit dem bisher ergangenen Schrifttum, wobei kurz zusammengefasst eine Seite die Meinung vertritt, dass § 1159 ABGB (lange Kündigungsfrist) die Grundregel sei und eine kollektivvertragliche Regelung die Ausnahmebestimmung darstelle, die nur aufgrund der Ausnahmebestimmung in § 1159 Abs 2 ABGB (Überwiegen von Saisonbetrieben) zulässig sei, sodass der Arbeitgeber dafür beweispflichtig sei, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmung (Kollektivvertrag, 14-tägige Kündigungsfrist) vorliegen.
Die andere Seite vertritt die Meinung, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass eine kollektivvertragliche Regelung zulässig und wirksam ist, sodass der Arbeitnehmer, der auf das Gesetz gestützt eine Kündigungsentschädigung geltend macht, zu behaupten und zu beweisen habe, dass die kollektivvertragliche Regelung nichtig ist.
Der OGH folgt der zweiten Meinung und stellt klar, dass der klagende Arbeitnehmer im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt, dass in einer Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen. Der klagende Arbeitnehmer muss also behaupten und beweisen, dass die kollektivvertragliche Bestimmung wirkungslos ist. Nur dann ist nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist anzuwenden.
Trifft das Gericht diesbezüglich eine Negativfeststellung, kann also nicht festgestellt werden, ob eine Saisonbranche vorliegt, dann geht diese Feststellung zu Lasten des behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmers und ist folglich die kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist anzuwenden.
Er folgt damit der arbeitgeberseitigen Argumentation sowie der Argumentation der Wirtschaftskammer, dass die kollektivvertragliche Regelung (die ja aus dem Kollektivvertrag nicht entfernt wurde) grundsätzlich weiterhin wirksam und anzuwenden ist. Wenn sich eine Partei darauf beruft, dass einzelne Regelungen aus dem Kollektivvertrag nicht wirksam seien, ist sie dafür behauptungs– und beweispflichtig. – Dies trifft in dieser Konstellation den Arbeitnehmer.
Der OGH führt aber auch ausdrücklich aus, dass es nicht seine Aufgabe ist „vermeintlich unbefriedigende Gesetzesbestimmungen“ zu ändern.
Angemerkt werden darf, dass der Beweis, dass es sich um eine Saisonbranche oder nicht um eine Saisonbranche handelt, faktisch kaum bis nicht zu erbringen sein wird. Jedenfalls wird der einzelne Arbeitnehmer oder der einzelne Arbeitgeber, die ja Partei des Arbeitsgerichtsverfahrens sind, kaum die Möglichkeit haben, irgendwelche Zahlen zu eruieren, die eine Beurteilung sinnvoll möglich machen würden. Es wird sohin der Gesetzgeber seine Regelung entsprechend überlegen und klarstellen müssen, um diese in der Praxis auch handhabbar zu machen.