Irrtümlich ausbezahltes Gehalt
Wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer irrtümlich zu viel Gehalt ausbezahlt, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, ob er diesen Betrag rückfordern kann und wenn ja, in welcher Höhe ein Rückforderungsanspruch besteht.
Grundsätzlich gilt, wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, kann das Geleistete vom Empfänger zurückfordern. Werden daher Bezüge irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder in nicht in dieser Höhe gebühren, kann sie der Arbeitgeber grundsätzlich zurückfordern. Lediglich im Fall eines redlichen (gutgläubigen) Verbrauchs durch den Arbeitnehmer ist eine Rückforderung ausgeschlossen. (9 ObA 103/21v)
Ein sogenannter gutgläubiger Verbrauch durch den Arbeitnehmer, der eine Rückforderung ausschließen würde, ist dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags keine Zweifel haben musste.
Die Gutgläubigkeit wird vermutet, sodass in einem Gerichtsverfahren der Arbeitgeber beweispflichtig für die Unredlichkeit ist. Der Arbeitgeber hat in einem derartigen Gerichtsverfahren daher zu behaupten und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer bei objektiver Beurteilung an der Rechtsmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags Zweifel hätte haben müssen. (RIS‑Justiz RS0033826) Es ist nicht auf das subjektive Wissen, sondern auf eine objektive Beurteilung abzustellen. Ob jedoch ein gutgläubiger Verbrauch vorliegt, stellt eine Einzelfallbeurteilung dar.
Geht man davon aus, dass der Arbeitgeber irrtümlich an den Arbeitnehmer zuviel ausbezahlt hat und kein gutgläubiger Verbrauch vorliegt, sohin dem Grunde nach ein Rückforderungsanspruch besteht, stellt sich die Frage, in welcher Höhe dieser Anspruch besteht.
Es stellt sich im Konkreten die Frage, ob der Arbeitgeber „brutto“ oder „netto“ vom Arbeitnehmer zurückfordern kann.
Der Arbeitnehmer ist nach den §§ 78 und 83 Einkommensteuergesetz (EStG) Steuerschuldner der Lohnsteuer. Zum „Einbehalten“ und zur „Abfuhr“ der Lohnsteuer ist der Arbeitgeber verpflichtet und haftet auch dafür. Der Arbeitgeber zahlt aber mit der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer eine fremde Schuld, nämlich eine Schuld des Arbeitnehmers. (8 ObA 69/05p)
Dem Arbeitgeber ist nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres eine nachträgliche Korrektur nach den steuerrechtlichen Bestimmungen nicht mehr möglich. Der Arbeitnehmer hat hingegen sehr wohl – über das betreffende Kalenderjahr hinaus – die Möglichkeit, eine erfolgte Rückzahlung als Werbungskosten und damit steuermindernd geltend zu machen. Daher kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer auch die zuviel bezahlte Lohnsteuer zurückfordern.
Auch die Dienstnehmeranteile (Sozialversicherungsbeiträge des Dienstnehmers) sind, auch wenn sie vom Arbeitgeber vom Entgelt abgezogen werden, als vom Arbeitnehmer selbst bezahlt anzusehen. Der Arbeitnehmer kann den Rückersatz der einbehaltenen Beträge im Verwaltungsweg begehren. (VwGH 19.12.2012, 2011/08/0036)
Daher sind auch die Dienstnehmeranteile von einem solchen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers mitumfasst. (8 ObA 69/05p)
Besteht daher ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers wegen irrtümlich zu viel ausbezahlten Gehalts, kann dieser – jedenfalls dann, wenn er keine Möglichkeit mehr hat, eine nachträgliche Korrektur durchzuführen – den Bruttobetrag zurückfordern.